Samstag, 26. Mai 2012

Meine Wohnung

Auf vielfachen Wunsch kommen heute mal ein paar Bilder aus meiner Wohnung. Dafür nicht ganz so viel Text, weil die Bilder schon für sich selbst sprechen:
Unsere Küche: So klein, dass jeder Platz genutzt werden muss und nicht mehr als eine Person zur Zeit arbeiten kann

Die Toilette: Extra Raum vom Bad getrennt, was eigentlich recht praktisch ist, allerdings direkt neben der Küche (welcher Architekt hat das entworfen?!?). Sie ist so klein, dass ich jetzt mit ausgestrecktem Gipsbein die Tür nicht mehr schliessen kann.

Der Flur: Gibt es nicht viel zu zu sagen. Rechts im Bild zu sehen: Die erste Tür mit doppeltem Schloss
Und hier die zweite Tür mit doppeltem Sicherheitsschloss

Mein Zimmer: Ist schierig in seiner Gänze zu fotografieren, weil die Tür nicht komplett aufgeht. Sie wird blockiert durch den riesigen Schrank, der links im Bild nicht zu sehen ist. Rechts ist noch mein Schreibtisch, den ich allerdings nicht als solchen benutze, weil in meinem Zimmer, wie man vielleicht daran erkennt, dass ich meinen Koffer als Kleiderständer benutze, akuter Ablage-Notstand herrscht. Mein Bett/Sofa ist normalerweise übrigens nicht so vollgepackt. Aber jetzt mit Gipsbein habe ich gerne alles in Greifweite.

Und zuletzt das Bad: Der Wasserhahn ist aus russischem Leichtbau-Alluminium und ich hab ihn schon zwei mal kaputt gemacht. Die Knopfe für heißes und kaltes Wasser sind genau vertauscht, was am Anfang einige Male für unangenehme Überraschungen gesorgt hat. Das Wasser kommt hier nämlich gefühlt kochend heiß aus der Leitung, deshalb sollte man immer zuerst das kalte Wasser anmachen und dann langsam mit warm aufwärmen. Rechts ist übrigens die zweite Waschmaschine. Die erste Hauptwaschmaschine steht in der Küche. Diese hier ist unbenutzt und dient als Kommode. Warum man in einer so kleinen Wohnung kostbaren Platz durch eine ungenutze Waschmaschine vergeudet, ist mir ein Rätsel, aber wahrscheinlich wegen dem Ablageplatzmangel (siehe mein Zimmer)


Mittwoch, 23. Mai 2012

Reisen

Ich habe im Moment viel Zeit zum Schreiben, weil der Arzt in der Poliklinik in meinem Block beschlossen hat, dass mein Knie am besten dann heilen kann, wenn ich es gar nicht mehr bewegen kann. Deshalb ist mein halbes Bein jetzt von einer Gipsschiene umschlossen, die 10 cm über dem Knöchel beginnt und auf der Hälfte des Oberschenkels reicht, und mein Bein stabilisieren soll. Na ja, wenigstens sind die Temperaturen jetzt wieder auf 20° gefallen und ich schwitze nicht.
Da ich selbst so immobil bin, habe ich beschlossen über ein mobiles Thema zu schreiben: Reisen.
Im April und Mai bin ich recht viel rumgekommen und habe dabei alle Fortbewegungsformen mitgenommen, die Russland zu bieten hat. Das einzige, was ich nicht gemacht habe und was ich wohl auch in Zukunft nicht machen werde, ist per Anhalter reisen. Auf unserem mid-term meeting haben die anderen Freiwilligen wieder mit einem Leuchten in den Augen von ihren Autostop-Erlebnissen geschwärmt, als wenn es die einzige Forbewegungsform wäre. Aber das waren auch alles noch sehr junge Menschen, die außer ihrem Schulabschluss noch nicht viel abenteuerliches erlebt haben. Und die meisten von ihnen haben in ihren Projekten nicht wirklich viel zu tun und deshalb viel Zeit zum ausgedehnten Reisen. Mir ist für so eine unkalkulierbare Art des Reisens meine freie Zeit einfach zu kostbar.
Der Faktor am Reisen in Russland, den ich am Anfang nämlich unterschätzt habe sind die Entfernungen und die damit verbundene Zeit. Die einzige Großstadt in Tagesausflugsnähe ist für uns Samara (1,5-2 std), allerdings war ich dort schon mehrmals, weshalb es mich nicht mehr so sehr reizt. Samara ist weder eine besonders schöne noch eine besonders spektakuläre Stadt, allerdings gefällt mir das Flair, besonders jetzt im Frühling/Sommer: Die Innenstadt ist eingeschlossen zwischen zwei Flussarmen, es gibt mehrere Stände direkt in der Stadt und es herrscht fast ein bisschen Mittelmeerfeeling.
Sammelabteil im Zug
 Ende April waren wir in Nizhny Novgorod bei unserem mid-term training. Das müssen alle Freiwilligen absolvieren, die länger als sechs Monate in ihren Projekten arbeiten. Es war ganz entspannt. Die meisten Leute kannte ich schon vom Training im November und es war ganz schön mal alle wieder zu sehen. Der Großteil der anderen kam aus Moskau und St. Petersburg und hat Nizhny Novgorod schon als Reise ins "wahre Russland" begriffen - die sollten mal nach Togliatti kommen... Nizhny Novgorod ist eine Millionenstadt und recht schön herausgeputzt mit Kreml und hübschem Pflaster in der Innenstadt. Wir sind dort hin mit dem Bus gefahren, weil es von Togliatti aus keine direkte Zugverbindung gab. 14 Stunden pro Fahrt und es war beide Male die Hölle. Busse sind ja von Natur aus nicht die bequemsten Reisemittel: Man kann sich nicht richtig ausstrecken, schläft deshalb gar nicht oder in unmöglichsten Positionen, man wagt nicht etwas zu trinken, weil man nie weiß, wann der nächste Toilettenhalt kommt, und durch die Gegend laufen kann man auch nicht. Hinzu kommt, dass die Straßen in Russland nach dem Winter in einem katastrophalen Zustand waren, selbst auf den Hauptverkehrswegen. Teilweise sind wir kilometerweit nur im Schrittempo gefahren und die tiefen Schlaglöcher haben auch nicht dazu beigetragen, dass ich besser geschlafen habe. Kurzum, ich war froh, als ich wieder in Togliatti war und dass ich die nächste große Reise mit dem Zug und dem Flugzeig absolvieren konnte.
Heißes Wasser aus dem Samowar gibts immer umsonst...
 Im Mai bin ich für eine Woche in Deutschland gewesen und für diese eine Woche habe ich jeweils mehr als 30 Stunden Reise auf mich genommen: Mit dem Bus von Togliatti nach Samara, von dort aus mit dem Zug nach Moskau und von dort aus wiederum mit dem Flugzeug nach Hamburg. Ich wollte Geld sparen und habe deshalb den Flug nur ab Moskau gebucht, aber weil ich zu lange gewartet habe und den Feiertag (Tag des Sieges über Nazi-Deutschland) nicht mit einberechnet habe, war die Zugreise auch unerwartet teuer.
...genauso wie einen tollen Ausblick (hier die Wolga)
Ich habe im Internet gebucht, was überraschend problemlos funktiniert hat. Das Tolle am Zugreisen in Russland ist, dass man im Zug schlafen kann - in richtigen Betten. Ich bin im Sammelwagon gefahren. Dort liegen sich in kleinen Abteilungen jeweils zwei mal zwei Betten gegenüber und auf der anderen Gangseite noch einmal zwei. Das ganze neun Mal macht 54 Betten pro Wagon. Die Sitze sind tagsüber Lederbänke, nachts werden die Matratzen und Kissen aus den hohen Ablagen geholt und die Betten zurechtgemacht. Es ist nicht die beste Art, die Nacht zu verbringen, aber die beste auf Reisen.
Angst um sein Reisegepäck muss man nicht haben. Es gibt für jeden Wagon einen Zugbegleiter, der beim Einsteigen die Pässe aller Reisenden kontrolliert. Es kommt also nur in den Zug, wer auch wirklich ein Ticket hat. In jedem Zug soll es einen Speisewagen geben, der angeblich sogar richtig gutes Essen anbietet, aber ich habe mich bis jetzt immer selbst versorgt. Heißes Wasser gibts im Zug auch immer umsonst.
Über das Fliegen in Russland gibt es nicht viel außergewöhnliches zu vermelden, außer dass der Flughafen Domodedovo in Moskau der best überwachteste ist, von dem aus ich je geflogen bin. Das Gepäck wird schon beim Betreten des Flughafengebäudes durchleuchtet und es gibt die umstrittenen Nacktscanner.
Der kasaner Bahnhof, auf dem ich immer ankomme
Noch mal von außen
In Moskau, wo ich auf der Hinfahrt 6 Stunden absitzen
musste, war leider alles abgesperrt
Wegen der Paraden zum Tag des Sieges am 9. Mai

Montag, 21. Mai 2012

Nachtrag

Noch ein kleiner Nachtrag zum letzten Artikel: Angeblich habe ich riesiges Glück gehabt, dass nichts schlimmeres passiert ist. Laut Anton brechen sich nämlich normalerweise Leute, denen so etwas passiert, das Bein. Absurd, dass man im Zusammenhang von Leuten, die durch Gullydeckel brechen, überhaupt von "Normalfällen" sprechen kann.

Bloody Sunday

Ich habe lange nichts mehr geschrieben und das hat Gründe. Zum einen war ich für eine Woche in Deutschland. Inklusive Reisezeit war ich insgesamt zehn Tage nicht in Togliatti und hatte deshalb auch nicht viel aus Russland zu berichten. Zum anderen ist hier jetzt wirklich Sommerwetter und ich verbringe jede freie Minute draußen, wo das Schreiben am Laptop etwas schwer fällt.
Heute war auch so ein Tag: Im Museum, in dem wir einen unserer Englisch-Clubs veranstalten, war "Museum Picknick". Dabei wird die gesamte Straße vor dem Museum abgesperrt, es gibt Konzerte, Kunstausstellungen, Tanzvorführungen und alle sozialen Institutionen, Vereine und Initiativen stellen sich vor. Alles in Allem ein echtes Event in einer kulturell eher armen Stadt wie Togliatti. Wir haben im Winter selbst zum Winter-Museumspicknick beigetragen, diesmal waren wir allerdings nur als Gäste dabei. Wir haben uns alles angeguckt, mit Bekannten geredet (mitlerweile habe ich das Gefühl, dass ich egal, wo ich hingehe, immer bekannte Leute treffe) und entspannt in der Sonne gesessen. Der Titel des Eintrags (der übrigens Kevins Idee ist) deutet vielleicht schon an, dass es nicht so harmonisch geendet hat.
Am Nachmittag habe ich mich gemeinsam mit Martin, Kevin und Anton, einem russischen Freund, auf die Suche nach einem Cafe gemacht. Wir waren in der alten Stadt, einem Stadtteil, in dem wir uns nicht so gut auskennen, und sind deshalb etwas orientierungslos durch die Gegend gelaufen. Und dann ist eine meiner größten Ängste wahr geworden. Meine Rumänien-Mitstreiter werden sich vielleicht daran erinnern, dass ich immer einen gewissen Vorbehalt gegenüber der Stabilität von Metall hatte - egal ob als Brücke, Gullydeckel oder Kellerlochabdeckung, alles erscheint mir immer rostig und kurz vorm Einbruch zu stehen.
Das mit dem Einbruch hatte der Gullydeckel, mit dem ich heute Bekannschaft gemacht habe, schon hinter sich (das einzige Tröstliche, sonst hätte ich mich wahrscheinlich noch fett gefühlt). Er bestand aus mehreren senkrechten Metallstreben, die in der Mitte von einer waagerechten Strebe stabilisiert wurden. Eine halbe senkrechte Stange war herausgebrochen. Kein großes Loch, aber groß genug, dass mein Fuß reingepasst hat und ich bis über das Knie drin versinken konnte. Mein erster Gedanke: "Du hast dir jetzt entweder das Bein gebrochen oder sämtliche Bänder gerissen." Der zweite Gedanke hat mir dann allerdings gesagt, dass sich mein Bein relativ unversehrt anfühlt. Deshalb habe ich auch alles daran gesetzt meine motivierten Retter, die mich dem Loch entreißen wollten, von ihrem Vorhaben abzuhalten, weil ich das Gefühl hatte, dass sie vollenden könnten, was das Loch nicht geschafft hat. Ich habe mich also selbst vorsichtig befreit. Ich stand so unter Strom, dass ich keine Schmerzen gespürt habe, allerdings hat mich der Anblick meiner eigenen Beine in eine Art Schockzustand versetzt: Staubig, blutverschmiert, überall Abschürfungen und das rechte Knie hatte der Rest der abgebrochenen Eisenstange aufgerissen.
Glücklicherweise bin ich nicht alleine unterwegs gewesen: Martin, immer gut ausgerüstet, hat mir Papierservietten gegeben, die ich mir aufs Knie halten konnte. Es hat zwar nicht stark geblutet, aber immerhin musste ich es mir so nicht mehr ansehen. Kevin hat mich beruhigt und mir immer wieder eingeredet, dass das im Knie wirklich nur eine Fleischwunde ist und ich mir nicht die Kniescheibe aufgeritzt haben kann, weil die noch tiefer im Knie liegt. Und Anton hat den Weg zum nächsten Krankenhaus herausgefunden. Ein Autofahrer hat angehalten und mich zum Krankenhaus gefahren. Eigentlich war die Krankenhaus-Erfahrung eine, die ich mir immer ersparen wollte, aber jetzt ließ es sich ja nicht mehr vermeiden. Und so schlimm war es dann doch nicht. Das Gebäude war typisch für russische staatliche Einrichtungen: etwas herungergekommen, spärliche Einrichtung, schiefe Holztüren, alte, doppelte Fenster, dunkle Flure. Auf dem Weg zum Behandlungszimmer bin ich ausversehen ins "Eingips-Zimmer" gelaufen und war erneut froh, dass ich mir nichts gebrochen habe. Im "OP-Saal", in dem ich behandelt wurde, war wirklich nichts außer einer klapprigen, viel zu hohen Liege und einem Scheinwerfer. Meine Schuhe musste ich ausziehen, meine Begleiter mussten draußen bleiben und auf den OP-Tisch wurde ein (hoffentlich) steriles Tuch ausgebreitet. Das war es dann allerdings schon mit den Hygienemaßnahmen. Vom Gang her konnte jeder in das Zimmer gucken, weil die Tür nicht richtig geschlossen hat, und während ich auf dem Tisch lag und es nicht gewagt habe, in Richtung Knie zu schauen, konnte ich die Falter um die Lampen schwirren sehen.
Überlebende des russichen Gully-Lochs
Was mich allerdings etwas beruhigt hat, war das Krankenhauspersonal. Die Rezeptionsfrau war für russiche Verhältnisse außergewöhnlich freundlich und schnell und hat sich mit meiner Visums-Kopie als Dokument zufrieden gegeben (alle anderen Dokumente sind bei Registrierungsbehörde, weil ich ja gerade erst wieder in Russland bin). Die Krankenschwester hat gelächelt und beruhigend auf mich eingeredet. Und der Arzt wirkte vertrauenswürdig, weil er alt genug war um seine Ausbildung noch in der Sowjetunion abgeschlossen haben zu können (aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass die Mediziner-Ausbilung in den sozialistischen Staaten ziemlich gut war) und noch nicht so alt, dass er schon blind und zittrig ist.
Ich habe wie gesagt nicht gewagt den Arzt bei seiner Arbeit zu beobachten und aufgrund der Betäubung habe ich auch nichts mitbekommen außer eines unangenehmen Zerrens und Drückens. Kevin, der vom Flur aus reinschauen konnte, hat mir bestätigt, dass mein Knie genäht wurde.
 Mittlerweile ist es Nacht, Russland ist Weltmeister im Eishockey, vor meinem Fenster wird gefeiert, die Betäubung ist verklungen und die Schmerzen sind spürbar. Das Knie scheint, nach dem zu urteilen, was unter dem Verband hervorschaut, blau und geschwollen zu sein, die Abschürfungen brennen. Ich soll täglich zur Nachuntersuchung ins mein nächstgelegenes Krankenhaus. Anton wird mich begleiten, wenigstens morgen. Etwas frustiert bin ich, weil mir dieses Knie jetzt den Start in den den Sommer versaut, aber immerhin bin ich um eine Erfahrung reicher.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Die hübschesten Straßenhunde der Welt

Straßenhunde sind eigentlich kein erfreuliches Thema sondern in der Regel eher ein "Problem" für die Städte in denen sie leben. In Togliatti ist das genauso. Es gibt wirklich sehr viele Straßenhunde (im Vergleich mit anderen Städten, in denen ich schon gewesen bin). Allerdings leben in Togliatti echt die schönsten, zutraulichsten, friedfertigsten Straßenhunde. Ich vermute, dass hier häufiger mal Hunde ausgesetzt werden, die zu groß für die Wohnung geworden sind. Das würde erklären, warum sich noch nicht der typisch darwinistische Straßenhundschlag durchgestetzt hat (stämmiger Körper, kurze Beine, übergroßer Kopf).
Am letzten Sonntag saß ich mit Freunden am Wolga-Ufer und habe das Sommerwetter genossen. Dabei hat sich Zanda, eine Freundin von mir, in einen Straßenhund verliebt. Kniehoch, lebhaft, braun-schwarzes Fell, lustige Schlappohren und einen kleinen Gehfehler (die Hinterbeine hatten einen leichten links-drall). Mael, ihr Freund, musste sie echt davon abhalten ihn mit nach Hause zu nehmen. Ich habe dann von meiner Mitbewohnerin in Rumänien erzählt, die wir immer davon abhalten mussten jeden noch so hässlichen Hund mitzunehmen - bis sie sich einen Hamster gekauft hat. Sorry Tine, dich kennt man jetzt hier :)
Zanda hat den Hund letztendlich natürlich doch nicht mitgenommen. Und zwei Tage später war es dann um mich geschehen: Dann habe ich nämlich Thekla vor unserem Magnit-Supermarkt gesehen. Thekla war der Hund von meiner Tante und der liebste Hund, den ich je gekannt habe. Ich dachte immer so einen Hund kann es nur einmal geben. Leider ist sie vor einigen Jahren gestorben - oder vielleicht doch nicht, sondern nur nach Russland ausgewandert? Auf jeden Fall war Thekla 2 total zutraulich und hat sich sogar streicheln lassen.
Thekla in Togliatti