Mittwoch, 18. Januar 2012

Winter

Mein Laptop ist zur Zeit kaputt und schon seit einer gefühlten Ewigkeit in der Reparatur. Diesen Eintrag schreibe ich von Martins Laptop. Für mich als Internetabhängige ist es eine ganz neue Situation einmal für so lange Zeit komplett ohne Computer auszukommen. Aber ich habe dadurch viel Zeit, mich auf andere, lange vernachlässigte Dinge zu konzentrieren. Ich lese viel, schreibe Briefe (in ca. 3 Wochen dürfen einige Personen mit Post rechnen) und genieße vor allem den ersten richtigen Winter meines Lebens.
Neuschnee die 1.
Die ersten Januarwochen waren hier in Togliatti wettertechnisch der Wahnsinn. Zuerst hat es für zwei Tage leicht getaut, was dazu geführt hat, dass der schon gefallene Schnee in sich zusammengesackt ist. Danach war es für zwei Tage sehr kalt (bis zu -16°) und der zusammengesackte Schnee ist hart und rutschig geworden. Deshalb hat sich jeder nur noch schlitternd vorwärtbewegt, was die ganze Schneefläche natürlich noch zusätzlich zusammengepresst und glattgeschliffen hat. Eine Woche lang war ganz Togliatti eine einzige riesige Eisfläche! Und damit meine ich nicht gefrierende Nässe à la Deutschland (darüber lacht man hier und rast trotzdem noch mit 80 km/h durch die Innenstadt), sondern wirklich Zentimeterdickes Eis, wie auf einer Eislaufbahn. Ich habe bin in dieser Woche garantiert jeden Tag einmal ausgerutscht.
Neuschnee die 2.
Passend zum eisigen Togliatti haben Martin und ich auch eine neue Abendbeschäftigung entdeckt: Schlittschuhlaufen. Hier in Russland muss in der Nähe von jeder Schule eine Eislaufbahn sein, weil im Winter im Sportunterricht Eis- und Skilauf im Sportunterricht auf dem Plan stehen. Da wir in der Nähe einer Schule wohnen, haben wir das Privileg, direkt vor unserer Haustür eine Eislaufbahn zu haben, die noch dazu die ganze Nacht über beleuchtet ist. Martin und ich haben uns schon Ende Dezember Schlittschuhe gekauft, sind aber bisher nicht dazu gekommen, sie auszuprobieren. Am Freitag hat es dann endlich mal geklappt und seitdem waren wir fast jeden Tag eislaufen. Neben den ganzen Kindern, die wie gesagt in der Schule Eislauf lernen, sehen wir aus wie Amateure. Deshalb sind wir dazu übergegangen immer später Abends zu gehen. Gestern sind wir bis um 1 Uhr Nachts eisgelaufen. Noch schlimmer wirken wir allerdings im Kontrast zu Yury und Zhenya. Yuri macht auf dem Eis irgendwelche Break-Dance-Kunststücke und an Zhenya ist ein echter Eiskunstläufer verlorengegangen.
Um den Winter perfekt zu machen schneit es nun seit mittlerweile zwei Tagen ununterbrochen. Die Schneeberge an den Straßenrändern sind mittlerweile weit größer als ich und ich habe schon von mehreren Seiten gehört, dass, falls es so weiterschneit, der Verkehr komplett zum erliegen kommt. Unvorstellbar in dieser Autostadt. Der Schnee erschwert natürlich auch mein neues Hobby: Gestern waren auf der Eislauffläche nur einzelne Gänge, wie in einem Labyrinth freigelegt. Und selbst die mussten wir regelmässig räumen, da sie sonst wieder zu geschneit wären.
Morgen werde ich an einer echten russischen Winter-Tradition teilnehmen. Der Eistaufe. Wenn ich es mit meinem eingeschränkten Russisch richtig verstanden habe, gibt es im orthodoxen Glauben am 19. Januar einen Feiertag, an dem alles Wasser als heilig gilt. Deshalb springen an diesem Tag ins Wasser. Problem: über dem Wasser ist eine Zentimeterdicke Eisfläche. Das heißt ich werde durch ein Loch im Eis in die Wolga springen - und das um Mitternacht - und ich bin nicht die Einzige, sondern es werden noch Unmengen an anderen Menschen dort sein. Eventuell gehen wir davor oder danch noch  in die Banja, aber das steht noch nicht fest. Zuletzt stand auch noch zur Debatte, dass wir in ein Kloster fahren, dass direkt an der Wolga liegt, weil das Eisloch dort angeblich kreuzförmig ist...
Wie man das ganze überstehen soll, weiß ich noch nicht. Aber angeblich ist es im Wasser nicht kalt sondern nur außerhalb.
Schlittschuhlaufen Russian-Style: Rennen im Schneelabyrinth (Der langsame am Anfang ist Martin, die beiden schnellen Yury und Zhenya)

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