Ich habe in den letzten Wochen festgestellt, dass Sprachenlernen für Kinder wirklich Spaß bedeutet. Weder meine Studenten noch die Jugendlichen, die ich in der Schule unterrichtet habe, sind jemals mit solch einer Begeisterung aus meinen Stunden gegangen wie die Kinder, die ich jetzt habe.
Anfang Juni habe ich für zwei Wochen bei einer Art Sommer-Sprach-Schule mitgemacht, die von der Schule angeboten wurde, an der ich das ganze Jahr über unterrichtet habe. Die Kinder haben hier drei Monate Ferien, aber besonders in den ersten Wochen sind sie noch täglich freiwillig in der Schule, weil dort Aktivitäten angeboten werden. Die Sprachenschule wurde von den Fremdsprachenlehrern für Schüler der Schule und Kinder eines benachbarten Waisenhauses angeboten. Jeden Tag drei Stunden in Deutsch, Englisch oder Französisch. Kevin und ich haben mit unterrichtet.
Im Moment bin ich mal wieder im Alliance Francaise Sprachencamp. Im Winter habe ich schon einmal mitgemacht (siehe entsprechenden Beitrag im Januar). Dieses Mal sind es ganze zwei Wochen, die ich unterrichte. Außer mir sind noch Kevin, Zanda und Mael dabei und außerdem zwei Austauschstudenten aus Ghana und ein Franzose. Das Besondere ist, dass dieses Mal noch jüngere Kinder dabei sind, als letztes Mal. Die jüngsten sind sechs Jahre alt und gehen glaube ich noch nicht mal zur Schule. Ich habe eine Schülerin, die jeden zweiten Tag von mir zwei Stunden Einzelunterricht bekommt, weil sie als einzige aus ihrer Gruppe Deutsch als erste Sprache gewählt hat. Sie ist vierzehn und unterhält sich mit mir fließend auf deutsch, obwohl sie erst seit einem Jahr lernt. Ich glaube sie wird von den zwei Wochen echt profitieren.
Der Rest der Schüler spricht gar nicht bis schlecht deutsch, aber das macht nichts, das ich mittlerweile weiß, wie ich mit kompletten Anfängern umgehen muss (Mein Spielerepertoir hat sich ungemein erweitert).
Eine Sache, die mich immer wieder beeindruckt, ist die Schnelligkeit, mit der Kinder neue Sachen aufnehmen. Ich habe, wie gesagt einige sehr kleine Kinder dabei. In meiner ersten Stunde habe ich mein Standard-Programm abgezogen (Ich heiße - Wie heißt du? etc.). Dazu habe ich die Sätze an die Tafel geschrieben, damit die kompletten Anfänger sie ablesen können. Während der Rest der Klasse eifrig abgeschrieben hat, hing ein kleines Mädchen gelangweilt auf ihrem Stuhl herum und hatte noch nicht mal etwas zum Schreiben in der Hand. Und da ist mir plötzlich klar geworden, dass sie wahrscheinlich so jung ist, dass sie noch nicht einmal ihr eigenes Alphabet kann. Ich habe deshalb in der nächsten Stunde ausführlich das ABC behandelt und war stark beeindruckt von den Kindern. Ich selbst habe knapp zwei Wochen lang das russische Alphabet geübt und habe manchmal immer noch Probleme besonders Schreibschrift zu lesen. Diese Kinder lernen praktisch parallel in der Schule ihr eigenes Alphabet und das Lateinische. Als ich gefragt habe, wer das Alphabet kennt und es gerne an die Tafel schreiben würde hat sich sofort ein Mädchen gemeldet, dass dann ein perfektes, sauberes Schreibschrift-Alphabet angeschrieben hat - und sie war acht Jahre alt, geht also erst zwei Jahre zu Schule. Ich weiß nicht wie die das machen, aber ich konnte nach zwei Jahren gerade mal mein Schreibschrift-Alphabet...
Freitag, 29. Juni 2012
Samstag, 23. Juni 2012
Zeitzonen-Wahnsinn
Zeitzonen sind ein Phänomen, das man nur begreift, wenn man unmittelbar davon betroffen ist. Solange ich in Deutschland gelebt habe, wusste ich nicht einmal in welche Richtung ich Stunden dazu- oder abrechnen musste. Mittlerweile stecke ich mitten drin in der Problematik.
Ich wohne am östlichen Rand der Moskauer Zeitzone. Am westlichen Rand liegt St. Petersburg, was ungefähr 2000 km von uns entfernt ist (in ungefähr die Entfernung Hamburg-Madrid). Am Anfang meiner Zeit hier in Russland, im Winter, war ich Deutschland immer drei Stunden voraus, was sehr praktisch war zum Telefonieren, da ich häufig bis zehn gearbeitet habe und dann immer noch bedenkenlos zu Hause anrufen konnte. Dann kam in Deutschland die Umstellung auf die Sommerzeit - und die haben wir nicht mitgemacht. Russen haben mir erzählt, dass es bis vor ein paar Jahren noch Zeitumstellungen gab, die aber abgeschafft wurden. Laut Wikipedia geschah dies, um die Wirtschaftlichkeit des Landes zu steigern. Wieso Sommer- und Winterzeit ein Land unwirtschaftlicher machen ist mir immer noch unklar.
Seit der Zeitumstellung in Deutschland sind wir euch also nur noch zwei Stunden voraus. Das ist wiederum mittlerweile auch ganz schön, da so Fußball nur spät und nicht extrem spät anfängt. Die Spiele beginnen bei uns um 22.45 - ich bin im Moment also nie vor ein Uhr im Bett...
Das Bemerkenswerteste an unserer Zeitzone (und auch der Grund, warum ich den Beitrag Zeitzonen-Wahnsinn getauft habe) ist jedoch etwas anderes. Wir leben wie gesagt am östlichsten Rand der Zeitzone. Das hat zur Folge, dass es hier extrem früh dunkel wird. Um 10, maximal um 11 ist es stockduster. Dafür wird es allerdings auch extrem früh wieder hell. Um drei Uhr geht im Moment die Sonne auf, um vier Uhr ist helllichter Tag. Wenn ich also nach dem Fußball nicht sofort ins Bett gehe, ist es höchstwahrscheinlich hell, wenn ich nach Hause fahre (so wie heute, wo ich nach dem Deutschland-Spiel erst um halb fünf nach Hause gekommen bin). Am letzten Samstag haben wir nach dem Russland-Spiel noch recht lange gefeiert. OK, es gab eigentlich keinen Grund zum Feiern, weil Russland ausgeschieden war, aber es war immerhin Samstag. Als wir um fünf Uhr aus dem Club gekommen sind war strahlender Sonnenschein. Ich habe zum Spaß gesagt, dass wir theoretisch direkt zum Strand weitergehen könnten - meine Mitstreiter haben das allerdings nicht als Spaß aufgegriffen und so sind wir tatsächlich (nach kurzem Umweg zum Badesachen holen) direkt an den Wolga-Strand gefahren. Es war genial! Sonnenschein wie am Tag und ein leergefegter Strand - außer ein paar Frühschwimmern, die uns besoffene Gestalten verwundert bis fasziniert angestarrt haben, war niemand dort. Blöd war nur, dass ich gegen 12 Uhr in der prallen Mittagssonne eingeschlafen bin und deshalb die ganze Woche über mit dem übelsten Sonnenbrand kämpfen musste. Aber das ist zu verkraften für eine Anekdote aus meiner Russland-Zeit, die ich wahrscheinlich noch meinen Enkeln erzählen werde.
Ich wohne am östlichen Rand der Moskauer Zeitzone. Am westlichen Rand liegt St. Petersburg, was ungefähr 2000 km von uns entfernt ist (in ungefähr die Entfernung Hamburg-Madrid). Am Anfang meiner Zeit hier in Russland, im Winter, war ich Deutschland immer drei Stunden voraus, was sehr praktisch war zum Telefonieren, da ich häufig bis zehn gearbeitet habe und dann immer noch bedenkenlos zu Hause anrufen konnte. Dann kam in Deutschland die Umstellung auf die Sommerzeit - und die haben wir nicht mitgemacht. Russen haben mir erzählt, dass es bis vor ein paar Jahren noch Zeitumstellungen gab, die aber abgeschafft wurden. Laut Wikipedia geschah dies, um die Wirtschaftlichkeit des Landes zu steigern. Wieso Sommer- und Winterzeit ein Land unwirtschaftlicher machen ist mir immer noch unklar.
Seit der Zeitumstellung in Deutschland sind wir euch also nur noch zwei Stunden voraus. Das ist wiederum mittlerweile auch ganz schön, da so Fußball nur spät und nicht extrem spät anfängt. Die Spiele beginnen bei uns um 22.45 - ich bin im Moment also nie vor ein Uhr im Bett...
Das Bemerkenswerteste an unserer Zeitzone (und auch der Grund, warum ich den Beitrag Zeitzonen-Wahnsinn getauft habe) ist jedoch etwas anderes. Wir leben wie gesagt am östlichsten Rand der Zeitzone. Das hat zur Folge, dass es hier extrem früh dunkel wird. Um 10, maximal um 11 ist es stockduster. Dafür wird es allerdings auch extrem früh wieder hell. Um drei Uhr geht im Moment die Sonne auf, um vier Uhr ist helllichter Tag. Wenn ich also nach dem Fußball nicht sofort ins Bett gehe, ist es höchstwahrscheinlich hell, wenn ich nach Hause fahre (so wie heute, wo ich nach dem Deutschland-Spiel erst um halb fünf nach Hause gekommen bin). Am letzten Samstag haben wir nach dem Russland-Spiel noch recht lange gefeiert. OK, es gab eigentlich keinen Grund zum Feiern, weil Russland ausgeschieden war, aber es war immerhin Samstag. Als wir um fünf Uhr aus dem Club gekommen sind war strahlender Sonnenschein. Ich habe zum Spaß gesagt, dass wir theoretisch direkt zum Strand weitergehen könnten - meine Mitstreiter haben das allerdings nicht als Spaß aufgegriffen und so sind wir tatsächlich (nach kurzem Umweg zum Badesachen holen) direkt an den Wolga-Strand gefahren. Es war genial! Sonnenschein wie am Tag und ein leergefegter Strand - außer ein paar Frühschwimmern, die uns besoffene Gestalten verwundert bis fasziniert angestarrt haben, war niemand dort. Blöd war nur, dass ich gegen 12 Uhr in der prallen Mittagssonne eingeschlafen bin und deshalb die ganze Woche über mit dem übelsten Sonnenbrand kämpfen musste. Aber das ist zu verkraften für eine Anekdote aus meiner Russland-Zeit, die ich wahrscheinlich noch meinen Enkeln erzählen werde.
Mittwoch, 20. Juni 2012
рок над волгой
Von "Rock nad Wolgoi" wurde uns praktisch seit unserer Ankunft hier in Russland erzählt. Ein Rockfestival, das jedes Jahr in der Nähe von Togliatti stattfindet (eigentlich eher in der Nähe von Samara, aber dass verschweigt der stolze Togliattier). Nur einen Tag lang, aber dafür mit freiem Eintritt und riesig groß. Und als Headliner dieses Jahr dabei: Limp Bizkit! Ich weiß, die haben ihre besten Zeiten lange hinter sich, aber abgesehen davon war das Konzert-Highlight in diesem Jahr bisher der Auftritt der Scorpions in Samara - und die haben ihre besten Zeiten noch viel länger hinter sich.
Wir wussten also wie gesagt schon lange, dass Rock nad Wolga stattfindet, und hatten uns eigentlich auch vorgenommen hinzugehen. Trotzdem haben wir es noch verpeilt und ausgerechnet auf diesen Tag unsere Uni-lecture verlegt. Glücklicherweise hat uns noch rechtzeitig jemand darauf hingewiesen und dank der russischen Flexibilität konnten wir den Termin noch einmal verschieben.
Spontan haben wir auch noch Leute gefunden, mit denen wir hinfahren konnten: Inna und Denis, zwei Teilnehmer aus unserem Lingvoclub, mit denen wir schon öfters was unternommen haben. Um acht Uhr morgens sind wir losgefahren und nach mehreren Stunden zielloser Fahrt mit mehrmahligem Verfahren um 11 Uhr pünktlich zum Beginn angekommen. Meinen Hinweis, dass wir uns irgendeinen Anhaltspunkt suchen sollten, um unser Auto, einen beige-grauen Lada Kalina (wie fast jedes zweite andere Auto), wiederzufinden, wurde übergangen. Man kann wahrscheinlich schon ahnen worauf das nach dem Konzert hinausgelaufen ist...
Nach ca. einer Stunde Schlangestehen extrem (siehe meine Ausführungen zum Russischen Warteverhalten im vorherigen Artikel) hatten wir es endlich auf das Gelände geschafft. Von meinen Leuten aus Togliatti waren ziemlich viele da, ich habe allerdings nicht alle getroffen, die ich treffen wollte, da das Handy-Netz chronisch überlastet war. Meine Fahrer habe ich gleich am Anfang verloren, dafür habe ich durch Zufall Mael und Zanda (der Franzose und die Lettin) getroffen, mit denen Kevin und ich fast den ganzen Tag verbracht haben. Die beiden waren mit einer Gruppe Schauspieler im Bus gekommen - ein witziger Haufen.
Von den Bands, die aufgetreten sind, kennt man in Deutschland außer Limp Bizkit wahrscheinlich nur noch Garbage und Zaz (die hatte einen großen Radio-Hit im letzten Jahr "Je veux"). Ansonsten waren es russische Bands. Besonders gut haben mir Leningrad gefallen, eine Ska-Band mit Texten, die zu großen Teilen aus Schimpfwörtern bestehen (die verstehe ich mittlerweile).
Was mich etwas überrascht hat, war der Nationalismus, der überall offen zur Schau gestellt wurde. Russland-Flaggen überall un in einer Pause wurde sogar die Nationalhymne gespielt. Aber das liegt wahscheinlich daran, dass das ganze vom Oblast Samara finanziert und organisiert wird und auch noch einen Tag vorm Nationalfeiertag stattgefunden hat. Noch krasser wurde es dann, als Alissa ihren Auftritt hatten. Klingt nach Telenovela, ist aber Altherren-80er-Glam-Rock mit starkem Hang zum Nationalismus. Da wurden dann die Russischen Flaggen von den schwarz-gelb-weißen Zarenreichsflaggen verdrängt.
Laut Zeitungsartikeln waren 306.000 Menschen auf dem Festival. Ich kann große Menschenmengen immer schlecht einschätzen, aber das kann schon hinkommen. Vor allem, weil viele Menschen speziell für ein oder zwei Bands gekommen sind und nicht den ganzen Tag über da waren.
Um 11 Uhr abends hat alles mit Limp Bizkit und Feuerwerk aufgehört. Fred Durst ist grau geworden! Und er hat doch tatsächlich versucht mit dem Publikum auf englisch zu komunizieren. Hat natürlich kaum jemand verstanden.
Um 11 war wie gesagt Schluss. Wir sind allerdings erst um halb zwei nach Hause gefahren. Warum? Zuerst einmal hatten wir - Überraschung! - Probleme unser Auto zu finden. Danach haben wir Inna zu Fuß zum nächsten Bahnhof gebracht, da sie nach Samara fahren wollte. Ich habe ja verstanden, dass wir sie nicht alleine im Dunkeln dahin laufen lassen können. Aber der Bahnhof war vier Kilometer vom Festivalgelende entfernt. Nachdem ich schon den ganzen Tag durch die Gegend gelaufen bin, waren die acht kilometer hin und zurück der reinste Höllenmarsch. Danach sind wir, obwohl wir fast die letzten waren, die das Gelände verlassen haben, noch in einen Stau gekommen. Letztendlich waren wir um vier Uhr wieder zu Hause.
Wir wussten also wie gesagt schon lange, dass Rock nad Wolga stattfindet, und hatten uns eigentlich auch vorgenommen hinzugehen. Trotzdem haben wir es noch verpeilt und ausgerechnet auf diesen Tag unsere Uni-lecture verlegt. Glücklicherweise hat uns noch rechtzeitig jemand darauf hingewiesen und dank der russischen Flexibilität konnten wir den Termin noch einmal verschieben.
Spontan haben wir auch noch Leute gefunden, mit denen wir hinfahren konnten: Inna und Denis, zwei Teilnehmer aus unserem Lingvoclub, mit denen wir schon öfters was unternommen haben. Um acht Uhr morgens sind wir losgefahren und nach mehreren Stunden zielloser Fahrt mit mehrmahligem Verfahren um 11 Uhr pünktlich zum Beginn angekommen. Meinen Hinweis, dass wir uns irgendeinen Anhaltspunkt suchen sollten, um unser Auto, einen beige-grauen Lada Kalina (wie fast jedes zweite andere Auto), wiederzufinden, wurde übergangen. Man kann wahrscheinlich schon ahnen worauf das nach dem Konzert hinausgelaufen ist...
Nach ca. einer Stunde Schlangestehen extrem (siehe meine Ausführungen zum Russischen Warteverhalten im vorherigen Artikel) hatten wir es endlich auf das Gelände geschafft. Von meinen Leuten aus Togliatti waren ziemlich viele da, ich habe allerdings nicht alle getroffen, die ich treffen wollte, da das Handy-Netz chronisch überlastet war. Meine Fahrer habe ich gleich am Anfang verloren, dafür habe ich durch Zufall Mael und Zanda (der Franzose und die Lettin) getroffen, mit denen Kevin und ich fast den ganzen Tag verbracht haben. Die beiden waren mit einer Gruppe Schauspieler im Bus gekommen - ein witziger Haufen.
Von den Bands, die aufgetreten sind, kennt man in Deutschland außer Limp Bizkit wahrscheinlich nur noch Garbage und Zaz (die hatte einen großen Radio-Hit im letzten Jahr "Je veux"). Ansonsten waren es russische Bands. Besonders gut haben mir Leningrad gefallen, eine Ska-Band mit Texten, die zu großen Teilen aus Schimpfwörtern bestehen (die verstehe ich mittlerweile).
Laut Zeitungsartikeln waren 306.000 Menschen auf dem Festival. Ich kann große Menschenmengen immer schlecht einschätzen, aber das kann schon hinkommen. Vor allem, weil viele Menschen speziell für ein oder zwei Bands gekommen sind und nicht den ganzen Tag über da waren.
Um 11 Uhr abends hat alles mit Limp Bizkit und Feuerwerk aufgehört. Fred Durst ist grau geworden! Und er hat doch tatsächlich versucht mit dem Publikum auf englisch zu komunizieren. Hat natürlich kaum jemand verstanden.
Irgenwo mittendrin: ich (Bild stammt nicht von mir, sondern aus dem Internet) |
Samstag, 16. Juni 2012
Das Mekka der Ineffizenz
Ich hatte mich lange davor gedrückt diese eine Sache zu erledigen.
Nein, es geht nicht um Bewerbungen schreiben, Zimmer aufräumen, Sport treiben. Es geht um Postkarten. Genauer gesagt um zwei Postkarten nach Deutschland, die ich geschrieben habe, während mein Bein in Gips war, und die jetzt schon geraume Zeit darauf warteten in den Briefkasten geworfen zu werden. Das einzige was sie noch von ihrem Ziel trennte war der Gang zur Post um Briefmarken zu kaufen.
Eigentlich liebe ich Post. Nicht die Deutsche Post als Institution sondern Post im allgemeinen - die schönen Briefmarken, die freudige Erwartung beim Briefkasten öffnen, das Einwerfen in den Briefkasten und die Vorfreude beim Öffnen eines Paketes oder Briefes. Deshalb bin ich jetzt auch selbst ein bisschen überrascht, dass ein einfacher Besuch auf dem Postamt mich so viel Überwindung kostet.
Das größte Problem bei einem Postbesuch in Russland ist, dass man immer unendlich viel Zeit einplanen muss. Man betritt den Raum und sieht ungefähr 7-10 Menschen, die scheinbar durcheinander
herumstehen. In Wahrheit warten sie, ich habe nur noch nicht verstanden nach welchem Prinzip. Grundsätzlich gilt beim Warten in Russland das Prinzip "Dreist Gewinnt". Ich kann noch so lange auf einen Bus gewartet haben; wenn die Frau, die gerade vor einer Minute gekommen ist, dreisterweise vor mir einsteigt, bin ich die die stehen oder draußenbleiben muss. Im Supermarkt kommt es häufig vor, dass "Sie" mit einer Flasche Wasser in der Schlange steht und "Er" kurz vor der Kasse mit einem voll gefülltem Einkaufswagen an den Wartenden vorbeigeht und zu ihr aufschließt. Ich habe mich mittlerweile schon daran gewöhnt meine Ellenbogen gekonnt einzusetzen und meinem Vordermann immer so dicht aufzurücken, bis ich mit der Nase fast seinen Rücken berühre. Der einzige Ort, an dem diese rücksichtslosen Prinzipien zu meiner Erleichterung nicht gelten ist die Poliklinik. Hier wird zuerst behandelt, wer zuerst da war.
In der Post kommt zu den üblichen Warte-Problemen hinzu, dass es mehrere Schalter gibt, an die sich die Menschen von mehreren Seiten randrängen. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass ich direkt am Schalter stand und dann kurz vorher noch jemand von links kam und vordrängelte.
Bis jetzt ist mir ein Rätsel geblieben, womit die Postangestellten den ganzen Tag verbringen. Meistens sieht man 5-6 durch die Gegend laufen, aber nur zwei davon sitzen an Schaltern. Diese schreiben unablässig etwas oder stempeln - keine Ahnung was. Selbst wenn ich nur Briefmarken kaufe wird erst mal jede Menge geblättert, geschrieben, getippt. Da man bei der Russischen Post alles erledigen kann - von Rente abholen, über Handy aufladen bis hin zu Waschmittel einkaufen, sind die Postangestellten dauerhaft beschäftigt ohne wirklich effizient zu sein.
Meine Postkarten bin ich letztendlich doch noch losgeworden. Beim Briefmarken kaufen bin ich mit einer 10cm-Highheel-Russin aneinander geraten, die auf die gewohnte Art vordrängeln wollte. Mit gekonntem Ellenbogeneinsatz und einer guten Portion Stutenbissigkeit (dafür reicht mein Russisch mittlerweile schon aus) habe ich jedoch meinen Platz verteidigt und dann lieber gleich zehn Briefmarken auf Vorrat gekauft.
Heute musste ich dann allerdings schon wieder zur Post, weil mein Paket angekommen ist. Zum Glück war es relativ leer und aufgrund der Klimaanlage wäre ich sogar gerne noch länger geblieben.
Das mit der Schokolade war keine so gute Idee. Alles andere ist allerdings wohlbehalten angekommen. Vielen Dank!
Nein, es geht nicht um Bewerbungen schreiben, Zimmer aufräumen, Sport treiben. Es geht um Postkarten. Genauer gesagt um zwei Postkarten nach Deutschland, die ich geschrieben habe, während mein Bein in Gips war, und die jetzt schon geraume Zeit darauf warteten in den Briefkasten geworfen zu werden. Das einzige was sie noch von ihrem Ziel trennte war der Gang zur Post um Briefmarken zu kaufen.
Eigentlich liebe ich Post. Nicht die Deutsche Post als Institution sondern Post im allgemeinen - die schönen Briefmarken, die freudige Erwartung beim Briefkasten öffnen, das Einwerfen in den Briefkasten und die Vorfreude beim Öffnen eines Paketes oder Briefes. Deshalb bin ich jetzt auch selbst ein bisschen überrascht, dass ein einfacher Besuch auf dem Postamt mich so viel Überwindung kostet.
Das größte Problem bei einem Postbesuch in Russland ist, dass man immer unendlich viel Zeit einplanen muss. Man betritt den Raum und sieht ungefähr 7-10 Menschen, die scheinbar durcheinander
herumstehen. In Wahrheit warten sie, ich habe nur noch nicht verstanden nach welchem Prinzip. Grundsätzlich gilt beim Warten in Russland das Prinzip "Dreist Gewinnt". Ich kann noch so lange auf einen Bus gewartet haben; wenn die Frau, die gerade vor einer Minute gekommen ist, dreisterweise vor mir einsteigt, bin ich die die stehen oder draußenbleiben muss. Im Supermarkt kommt es häufig vor, dass "Sie" mit einer Flasche Wasser in der Schlange steht und "Er" kurz vor der Kasse mit einem voll gefülltem Einkaufswagen an den Wartenden vorbeigeht und zu ihr aufschließt. Ich habe mich mittlerweile schon daran gewöhnt meine Ellenbogen gekonnt einzusetzen und meinem Vordermann immer so dicht aufzurücken, bis ich mit der Nase fast seinen Rücken berühre. Der einzige Ort, an dem diese rücksichtslosen Prinzipien zu meiner Erleichterung nicht gelten ist die Poliklinik. Hier wird zuerst behandelt, wer zuerst da war.
In der Post kommt zu den üblichen Warte-Problemen hinzu, dass es mehrere Schalter gibt, an die sich die Menschen von mehreren Seiten randrängen. Es ist schon häufiger vorgekommen, dass ich direkt am Schalter stand und dann kurz vorher noch jemand von links kam und vordrängelte.
Bis jetzt ist mir ein Rätsel geblieben, womit die Postangestellten den ganzen Tag verbringen. Meistens sieht man 5-6 durch die Gegend laufen, aber nur zwei davon sitzen an Schaltern. Diese schreiben unablässig etwas oder stempeln - keine Ahnung was. Selbst wenn ich nur Briefmarken kaufe wird erst mal jede Menge geblättert, geschrieben, getippt. Da man bei der Russischen Post alles erledigen kann - von Rente abholen, über Handy aufladen bis hin zu Waschmittel einkaufen, sind die Postangestellten dauerhaft beschäftigt ohne wirklich effizient zu sein.
Meine Postkarten bin ich letztendlich doch noch losgeworden. Beim Briefmarken kaufen bin ich mit einer 10cm-Highheel-Russin aneinander geraten, die auf die gewohnte Art vordrängeln wollte. Mit gekonntem Ellenbogeneinsatz und einer guten Portion Stutenbissigkeit (dafür reicht mein Russisch mittlerweile schon aus) habe ich jedoch meinen Platz verteidigt und dann lieber gleich zehn Briefmarken auf Vorrat gekauft.
Heute musste ich dann allerdings schon wieder zur Post, weil mein Paket angekommen ist. Zum Glück war es relativ leer und aufgrund der Klimaanlage wäre ich sogar gerne noch länger geblieben.
Das mit der Schokolade war keine so gute Idee. Alles andere ist allerdings wohlbehalten angekommen. Vielen Dank!
Sommer und Fußball
Togliatti - 14 Uhr an einem Tag im Juni. Die Luft steht, genauso wie die Marshrutka. Draußen bewegen sich die Menschen gequält über den schmelzenden Asphalt, immer vom einen Schattenplatz zum nächsten sofern dieser nicht schon von einer Horde Straßenhunde belegt ist, die selbst das Hecheln eingestellt haben und wie tot auf dem Boden liegen. Babuschkas mit Strohhut und Kittelschürze - junge Mädchen in shorts und tops - Männer, die nur noch die nötigsten Kleidungstücke tragen (nicht immer ein schöner Anblick).
In der Marshrutka wischt sich die ältere Frau neben mir unablässig den Schweiß mit einem Taschentuch aus dem Gesicht. Ich hätte auch gerne so ein Tuch, denke ich während ich spüre das meine nackte Haut lansam eine Verbindung mit dem Kunstleder der Sitzüberzüge aufbaut. Ein kleiner Junge hat den Kopf zum Fenster rausgehängt. Dann geht es los: Zehn Meter Fahrt - ein Luftzug - Erleichterung. Nur um kurz darauf wieder im Stau zu stehen.
Hier in Togliatti ist jetzt endgültig richtiger Sommer, nachdem der Frühling eigentlich auch schon an den deutschen Sommer herangekommen ist. Tagsüber sind es weit über 30°, nachts kühlt es höchstens auf 20° ab. Arbeiten ist die Hölle, besonders in der Universität, wo die deutsche Fakultät im achten Stock liegen. Selbst der Weg zum Strand ist zu anstrengend. Leider ist ein Besuch an der Wolga immer mit jede Menge Berg- oder Treppe steigen verbunden, da sie tiefer gelegen ist, als die Stadt. Runter gehts, aber hoch ist anstrengen.
Ich sitze also in meiner freien Zeit zu Hause rum und versuche möglichst wenig schweißtreibende Aktivitäten zu betreiben und gleichzeitig meinen Wasserhaushalt auszugleichen. Anfangs habe ich noch ständig geduscht, aber mitlerweile habe ich mich auf höchstens zwei Mal pro Tag beschränkt - es stinkt eh jeder.
Abends bricht dann immer meine Zeit an - Fußballzeit. Aufgrund der Zeitverschiebung fangen die früheren Spiele bei und um 20 Uhr an, die späteren um 22.45 Uhr. Die Späteren verpasse ich also nie. Meistens gucke ich mir die Spiele zusammen mit Mael an, Franzose, der für die Alliance Francaise arbeitet und in Sachen Fußballverücktheitheit an meine Familie zu Hause rankommt. Um uns hat sich mitlerweile ein ganz illustrer Kreis an Leuten gebildet, die ab und zu mitgucken - ein Portugiese, eine Dänin, diverse Russen, von Zeit zu Zeit Kevin. Das zweite Russland-Spiel haben wir in einer Bar gesehen. Zum Eintritt gab es kleine Russlandfähnchen geschenkt und für jedes Russische Tor 50ml Wodka - sind dann ja leider nicht so viel geworden. Man konnte seinen Tipp für den Spielausgang auf einer Tafel angeben. Niemand hat auf Niederlage Russland gesetzt, die meisten auf Kantersiege. Ich habe noch nie auf so sonderbare Art Fußball gesehen. Die Bar hatte extra einen Kommentator eingestellt, der mit Mikrofon die Fans angeheizt hat. Während der russischen Hymne haben alle mit stolzgeschwellter Brust mitgesungen, während der polnischen Hymne hat dann der Kommentator blöde Witze losgelassen. Nach dem 1:0 war Russland schon gefühlt Europameister. (Russland ist eh am besten in allem - das wissen die Russen auch - diese Titelgewinne sind nur dazu da, dass es die anderen auch begreifen). Nach dem Ausgleich kammen dann zunehmend leicht-rassistische Bemerkungen über Polen. Unentschieden war wahrscheinlich das beste Ergebnis für dieses Spiel. Heute gehts für das Spiel wahrscheinlich wieder in die gleiche Kneipe. Dieses Mal kann Russland ruhig gewinnen, weil Wochenende ist und ich danach gut feiern kann.
In der Marshrutka wischt sich die ältere Frau neben mir unablässig den Schweiß mit einem Taschentuch aus dem Gesicht. Ich hätte auch gerne so ein Tuch, denke ich während ich spüre das meine nackte Haut lansam eine Verbindung mit dem Kunstleder der Sitzüberzüge aufbaut. Ein kleiner Junge hat den Kopf zum Fenster rausgehängt. Dann geht es los: Zehn Meter Fahrt - ein Luftzug - Erleichterung. Nur um kurz darauf wieder im Stau zu stehen.
Hier in Togliatti ist jetzt endgültig richtiger Sommer, nachdem der Frühling eigentlich auch schon an den deutschen Sommer herangekommen ist. Tagsüber sind es weit über 30°, nachts kühlt es höchstens auf 20° ab. Arbeiten ist die Hölle, besonders in der Universität, wo die deutsche Fakultät im achten Stock liegen. Selbst der Weg zum Strand ist zu anstrengend. Leider ist ein Besuch an der Wolga immer mit jede Menge Berg- oder Treppe steigen verbunden, da sie tiefer gelegen ist, als die Stadt. Runter gehts, aber hoch ist anstrengen.
Ich sitze also in meiner freien Zeit zu Hause rum und versuche möglichst wenig schweißtreibende Aktivitäten zu betreiben und gleichzeitig meinen Wasserhaushalt auszugleichen. Anfangs habe ich noch ständig geduscht, aber mitlerweile habe ich mich auf höchstens zwei Mal pro Tag beschränkt - es stinkt eh jeder.
Abends bricht dann immer meine Zeit an - Fußballzeit. Aufgrund der Zeitverschiebung fangen die früheren Spiele bei und um 20 Uhr an, die späteren um 22.45 Uhr. Die Späteren verpasse ich also nie. Meistens gucke ich mir die Spiele zusammen mit Mael an, Franzose, der für die Alliance Francaise arbeitet und in Sachen Fußballverücktheitheit an meine Familie zu Hause rankommt. Um uns hat sich mitlerweile ein ganz illustrer Kreis an Leuten gebildet, die ab und zu mitgucken - ein Portugiese, eine Dänin, diverse Russen, von Zeit zu Zeit Kevin. Das zweite Russland-Spiel haben wir in einer Bar gesehen. Zum Eintritt gab es kleine Russlandfähnchen geschenkt und für jedes Russische Tor 50ml Wodka - sind dann ja leider nicht so viel geworden. Man konnte seinen Tipp für den Spielausgang auf einer Tafel angeben. Niemand hat auf Niederlage Russland gesetzt, die meisten auf Kantersiege. Ich habe noch nie auf so sonderbare Art Fußball gesehen. Die Bar hatte extra einen Kommentator eingestellt, der mit Mikrofon die Fans angeheizt hat. Während der russischen Hymne haben alle mit stolzgeschwellter Brust mitgesungen, während der polnischen Hymne hat dann der Kommentator blöde Witze losgelassen. Nach dem 1:0 war Russland schon gefühlt Europameister. (Russland ist eh am besten in allem - das wissen die Russen auch - diese Titelgewinne sind nur dazu da, dass es die anderen auch begreifen). Nach dem Ausgleich kammen dann zunehmend leicht-rassistische Bemerkungen über Polen. Unentschieden war wahrscheinlich das beste Ergebnis für dieses Spiel. Heute gehts für das Spiel wahrscheinlich wieder in die gleiche Kneipe. Dieses Mal kann Russland ruhig gewinnen, weil Wochenende ist und ich danach gut feiern kann.
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