Montag, 7. November 2011

It's Russia - expect everything... and nothing

Octi, mein rumänischer Studienfreund, pflegte immer zu sagen: "Die USA sind das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Rumänien ist das Land der unbegrenzen Unmöglichkeiten." Ähnliches könnte man wahrscheinlich auch über Russland sagen. Noch besser trifft es allerdings Martin, mein bulgarischer Mit-Freiwilliger: "It's Russia - expect everything!" Ich füge dann immer in Gedanken hinzu: "...and nothing". 
Wie ich einigen schon geschrieben habe, waren die ersten Tage hier ziemlich chaotisch. Angefangen hat alles damit, dass wir am ersten Tag nach einem Einkauf in unsere Wohnung zurückkehrten und sobald wir den Schlüssel in die Tür gesteckt hatten unsere Nachbarin aus ihrer Wohnung geschossen kam und uns auf Russisch zu-diskutierte. Kevin und ich zogen uns gleich zurück in die Wohnung, Martin, der Russisch spricht, versuchte noch mit ihr zu reden, aber wirklich verstanden, was das Problem ist, haben wir nicht. Allerdings war diese Begegnung jedoch anscheinend ein Anlass für die gute Dame unseren Vermieter zu kontaktieren, der dann wiederum sofort Yuri, unseren Koordinator zu sich zitierte. Unglücklicherweise hatte dieser den Vermieter angelogen um an die Wohung zu kommen. Anscheinend sind russische Vermieter nämlich nicht ohne Weiteres bereit ihre Wohnungen an drei junge Ausländer zu vermieten, selbst wenn die Vermittlung über eine anerkannte städtische Einrichtung geschieht und das Geld von der Europäischen Kommission kommt. Deshalb hat Yuri dem Vermieter erzählt, dass in seine Wohnung ein Ehepaar mit Kind einzieht. Das Ende von der Geschichte ist: Der Schwindel flog natürlich mit Hilfe der netten Nachbarin sofort auf und wir wurden, kaum dass wir eingezogen waren, wieder aus unserer Wohung rausgeschmissen.
Danach waren wir drei Tage obdachlos und haben zunächst zwei Tage bei Yuris Großeltern in einem Dorf (oder Kleinstadt?) in der Nähe von Togliatti übernachtet und dann noch eine Nacht im Wohnzimmer seiner Eltern. Mittlerweile sind wir bei seiner Tante eingezogen, die alleine wohnt und uns als Untermieter aufgenommen hat. Ich weiß aber noch nicht, ob wir auf Dauer hier bleiben. Ludmilla, unsere Gastgeberin, hat sich auf jeden Fall in den Kopf gesetzt uns Russisch beizubringen. Sie sagt immer alles ganz langsam und wiederholt es so lange, bis wir verstanden haben. Insgesammt verstehe ich mittlerweile schon relativ viel russisch, könnte aber noch keinen einzigen Satz bilden.
Abgesehen von der Wohnungsangelegenheit läuft es hier eigentlich ganz gut. Yuri schleppt uns zu allen seinen Aktionen mit, von Sprachenklub über Break-Dance-Training bis hin zu Go-Spielen. Wir waren schon an der Uni, wo wir auch Kurse geben sollen, weil wir offiziell über die Uni eingeladen wurden, und haben mit der Chefin von Schans (dem Jugendzentrum) gesprochen. Und wir haben praktisch jeden Abend Besuch von Yuri und seinen Freunden, die sich meistens nicht vor 1 Uhr Nachts abwimmeln lassen, weshalb sich mein Schlafrhythmus immer noch nicht auf die drei Stunden Zeitunterschied eingestellt hat. Einer von den Freunden ist ein ziemlicher Asien-Freak, machst sämtliche Kampfsportarten und ist total verrückt nach Go, ein Spiel, das die Angewohnheit hat, sich ewig in die Länge zu ziehen. Kevin musste es schon am Abend unserer Ankunft spielen... ich habe mich um sechs Uhr morgens aus der Runde verabschiedet. Mittlerweile durfte ich auch einmal spielen und habe sowohl Martin als auch Kevin geschlagen :)


Etwas grau, aber es war trotzdem schön an der Wolga. Im Winter friert sie angeblich komplett zu!
Togliatti ist die flächenmäßig größte Stadt in der ich jemals gelebt habe. Sie besteht aus zwei Stadtteilen, der alten Stadt und der neuen Stadt, die aber durch einen 5-Kilometer breiten Park/Wald getrennt werden. Ich habe das Gefühl, dass man hier immer mindestens eine halbe Stunde unterwegs ist, bis man irgenwo ankommt. Und leider ist die Stadt auch noch vollkommen fußgängerunfreundlich. Ist wahrscheinlich auch zu kalt um lange Fußmärsche zu machen. Ein richtiges Stadtzentrum gibt es nicht, genausowenig wie alte Gebäude (sprich: älter als 50 Jahre). Das einzige schöne Gebäude, das ich bis jetzt gesehen habe ist eine Kirche. Ansonsten scheint es hier nur Unmengen an Wohngebäuden zu geben. Ab und zu erhascht man allerdings mal einen Blick auf die Wolga und die ist hier wirklich schön. Eigentlich ist es schon gar kein Fluß mehr, sondern eher ein kleines Meer.

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